Einleitung
„Vergleichsspannung“ bzw. „Vergleichsspannungshypothese„, diesen Begriff aus der Festigkeitslehre. Jeder Ingenieur hat schon einmal diese einfache Formel gesehen:
\(\sigma_v=\sqrt{\sigma^2+3 \tau^2}\)Die Formel beschreibt die Berechnung der Von-Mises-Vergleichsspannung für Stäbe. Manchmal wird die Spannung auf kurz Mises-Spannung genannt. Die exakte Bezeichnung ist „Vergleichsspannung nach der Gestaltänderungsenergiehypothese“ (GEH). Was hier mit „Gestaltänderung“ gemeint ist und was die Vergleichsspannung mit der Energie zu tun hat, wird hier auf der Seite ausführlich erklärt. In einer ausführlichen Herleitung, die mit vielen Kommentaren versehen ist, kann man die Zusammenhänge gut nachvollziehen und die Hintergründe der bekannten Formeln zur Gestaltänderungsenergiehypothese gut verstehen.
Hier soll es aber vorwiegend um den zweiachsigen Spannungszustand in Flächen (ebener Spannungszustand) und den räumlichen Spannungszustand gehen.
Wozu Vergleichsspannungen?
Zunächst soll erst einmal geklärt werden, was eine Vergleichsspannung ist und wozu man diese braucht.
Der allgemeine Spannungszustand eines Körpers kann durch folgende Spannungen beschrieben werden:
- \(\sigma_x\)
- \(\sigma_y\)
- \(\sigma_z\)
- \(\tau_{xy} = \tau_{yx}\)
- \(\tau_{xz} = \tau_{zx}\)
- \(\tau_{yz} = \tau_{zy}\)
Diese können als Spannungstensor geschrieben werden:
\(S=
\begin{bmatrix}
\sigma_{x} & \tau_{xy} & \tau_{xz}\\
\tau_{yx} & \sigma_{y} & \tau_{yz}\\
\tau_{zx} & \tau_{zy} & \sigma_{z}
\end{bmatrix}\\
\)
Der Spannungstensor geht auf den französischen Mathematiker Augustin Louis Cauchy zurück.
Beim ebenen Spannungszustand wird es etwas übersichtlicher. Einige Spannungen werden zu Null und es ergibt sich folgender Spannungstensor:
\(S=
\begin{bmatrix}
\sigma_{x} & \tau_{xy} & 0\\
\tau_{yx} & \sigma_{y} & 0\\
0 & 0 & 0
\end{bmatrix}\\
\)
Das ist zwar etwas einfacher als der vollständige Spannungstensor für den räumlichen Spannungszustand, aber immer noch sehr unhandlich. Damit kann ein Ingenieur im Alltag nur schwer arbeiten.
Die Materialeigenschaften von vielen Materialien werden durch den Zugversuch ermittelt. Neben den E-Modul wird auch eine Zugfestigkeit ermittelt. Mit dieser Zugfestigkeit muss der reale Spannungszustand verglichen werden. Genau dazu dient die Vergleichsspannung. Aus dem realen, mehrachsigen Spannungszustand wird eine einzige Spannung errechnet, die im Material die gleiche Anstrengung verursachen würde, wie der mehrachsige Spannungszustand.
Dafür gibt es die verschiedensten Annahmen, die Vergleichsspannungshypothesen genannt werden:
- Gestaltänderungshypothese, Vergleichsspannung nach von Mises
- Schubspannungshypothese, Vergleichsspannung nach Tresca
- Hauptnormalspannungshypothese, Vergleichsspannung nach Rankine
- Hauptdehnungshypothese, Vergleichsspannung nach Bach
- Fließkriterium nach Drucker-Prager
- Fließkriterium nach Mohr-Coulomb
Oft werden diese auch Festigkeitshypothesen, Anstrengungshypothesen, Versagenshypothesen oder Fließkriterium genannt.
Die klassischen Vergleichsspannungen werden vor allem für die Beurteilung der Tragfähigkeit von metallischen, isotropen Werkstoffen verwendet, wie z. B. im Stahlbau, Maschinenbau oder zur Auslegung von Aluminiumkonstruktionen. Neben den Vergleichsspannungen gibt es noch eine Reihe weiterer Festigkeitshypothesen, die sich z. B. besser für orthotrope Materialien eignen oder die zwischen Zug- und Druckbeanspruchung unterscheiden.
Für Smartphones mit dem Betriebssystem Android gibt es eine App, mit der diese Vergleichsspannungen und noch einige andere Spannungen mehr zu berechnen sind.